Bildung und Ausbildung ist kein Luxus

Anlässlich des Erscheinens seines Buchs „Wer überlebt? Bildung entscheidet über die Zukunft der Menschheit“ hat Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ kürzlich ein umfangreiches Interview gegeben.

Er vertrat dabei unter anderem die These, dass ein Mangel an Bildung die Ursache vieler Konflikte ist und Armut weiter verfestigt. Die Quoten der formalen Abschlüsse hätten sich in einigen Ländern der Dritten Welt in den zurückliegenden Jahrzehnten verbessert, die Bildungsinhalte seien jedoch weiterhin mangelhaft. Zwar besuchten immer mehr Kinder – mehr Jungen als Mädchen übrigens – eine Schule. Lesen, Rechnen und eine Problemlösungskompetenz würden viele dort dennoch nicht lernen. Länder wie Japan, Korea oder Singapur hätten gezeigt, was möglich ist, wenn intensiv in die Bildung von Humankapital investiert wird.

Klingholz brandmarkt auch den außerordentlich niedrigen Anteil an internationalen Entwicklungsgeldern, der für Grundbildung ausgegeben wird und der zwischen zwei und vier Prozent liegt. „Aller Rhetorik zum Trotz fließt ein großer Teil der Hilfsgelder weiter in große Infrastrukturprojekte, die allesamt korruptionsanfällig sind und eher die sozialen wie politischen Strukturen verfestigen,“ sagt Klingholz.

Der Verein Straßenkinder Tansania hatte sich von Beginn an zum Ziel gesetzt, seine Unterstützung so zu leisten, dass die Kinder eine Schulausbildung erhalten, mag sie auch noch so viele Defizite aufweisen, Defizite, die übrigens von der tansanischen Regierung zwar erkannt worden sind, aber noch nicht beseitigt werden konnten. Eine Schulausbildung allein reicht aber nicht aus, um den ehemaligen Straßenkindern die Chance zu geben, selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Dazu brauchen sie Einkommen aus Arbeit. Um den Start in das Arbeitsleben zu erleichtern, finanziert der Verein auch die Berufsausbildung der Jugendlichen, bisher überwiegend in handwerklichen Berufen wie Schneider, Maurer oder Klempner.

Der Verein ist aber auch bereit, ganz besonders begabten Jugendlichen unter den ehemaligen Straßenkindern eine besondere Ausbildung zukommen zu lassen. „Es ist unbedingt notwendig, die Talente der Jugendlichen in vollem Umfang zu entwickeln,“ sagt der Vorsitzende Heidulf Masztalerz. Das geschieht natürlich in erster Linie zum Nutzen dieser Jugendlichen. Aber natürlich profitiert auch das Land Tansania davon, wenn sein Humankapital vermehrt wird.

Spender gewürdigt

Der Verein „Straßenkinder Tansania e.V.“ unterstützt seit 2005 ein Heim für ehemalige Straßenkinder in Singida (Tansania) sowie zwei andere Einrichtungen in der Stadt und der Region, die sich elternloser Kinder annehmen. Dazu gehört neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die Schul- und Berufsausbildung.

Ohne großzügige Spender wäre die Arbeit des Vereins zum Scheitern verurteilt. Schon seit zehn Jahren hat die Kirchengemeinde St. Johannis, Lüneburg in vielen Gottesdiensten Spenden gesammelt und dem Verein für seine Arbeit zur Verfügung gestellt. Herr Pastor Ingo Reimann und der Vorsitzende des Vereins Heidulf Masztalerz aus Südergellersen hatten sich daher entschlossen, die Mitglieder der Gemeinde einmal ausführlich über die Arbeit des Vereins zu informieren. Leider war das Wetter am Sonnabend, den 30. Januar 2016 so schlecht, dass sich kaum jemand aus dem Haus getraut hat. Trotzdem war der kleine Raum im Gemeindehaus an der St. Johanniskirche gut gefüllt.

Heidulf Masztalerz berichtete ausführlich über sein Engagement in Tansania, das lange vor der Gründung des Vereins begonnen hatte. Er hatte an Entwicklungsprojekten der Handwerksförderung Ost-Afrika e.V. (HOAV) mitgearbeitet. Die HOAV war aus der Zusammenarbeit mit dem ökumenischen Landesarbeitskreis Handwerk und Kirchen in Niedersachsen hervorgegangen. In diesem Rahmen wurden in Tansania sechs handwerkliche Werkstätten aufgebaut. Anlässlich des Besuchs eines der Werkstätten, CAPU in Singida, im Jahre 2004, wurde Heidulf Masztalerz ein Heim für Straßenkinder in Kititimo am Stadtrand von Singida gezeigt. Dort lebten etwa 50 Straßenkinder, Jungen und Mädchen im Alter von 4 bis 16 Jahren, völlig auf sich alleine gestellt, ohne Betreuung. Die unhaltbaren Zustände bewegten Heidulf Masztalerz, Unterstützung für diese Kinder zu organisieren. Er gründete den Verein „Straßenkinder Tansania e.V.“.

Was als Präsentation geplant war, entwickelte sich zu einem Gespräch. Dabei wurde deutlich, dass auch eine so kleine Organisation wie der Verein „Straßenkinder Tansania e.V.“ mit seinen knapp 80 Mitgliedern erfolgreich arbeiten kann, wenn sie sich – wie geschehen – auf wenige Projekte konzentriert, diese Projekte aber mit großem Engagement vorantreibt.

Die Zuhörer stimmten voll und ganz zu, dass am Ende der Hilfe für die ehemaligen Straßenkinder deren Eingliederung in die Gesellschaft stehen muss und dass dies nur erreicht werden kann, wenn die jungen Frauen und Männer mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung ins Leben entlassen werden. „Dass dies möglich ist, dazu haben die Spenden der St. Johannisgemeinde wesentlich beigetragen“, fasste Heidulf Masztalerz die Diskussion zusammen.